Geschichte

.: Schatten :.

 

 

 

Der “Apfelopi”

 

Im Dorf in dem Menschendad aufwuchs gab es einen “Apfelopi”.
Ein lieber älterer Mann, der nachmittags immer auf der Bank vor seinem Haus saß oder auch direkt am Gartenzaun stand. Er wartete auf vorübergehende Leute, denen er einen oder auch zwei Äpfel anbot und mit auf den Weg gab. Reines Gold war sein zuckersüßes Lächeln, wenn man das Angebot annahm und sich mit ihm, ob nun kurz oder lang, unterhielt. Ein solches Lächeln und ein Leuchten in beinahe kreisrunden Augen, habe ich wenn überhaupt, nur sehr selten gesehen, erzählte mir Menschendad. Im Spätsommer als Mini-Menschendad auf seinem Schulweg die heruntergefallenen Walnüsse von der Straße aufsammelte, stand manchmal sogar früh am Morgen der “Apfelopi” dort und reichte ihm ein Leinensäckchen mit den Nüssen, die er abends schon für ihn aufsammelte. Belohnt wurde das mit einem fröhlichen Dankeschön und einem kurzen Gespräch über zum Beispiel, das heutige Wetter.

Wir fuhren vor einigen Monaten auf einer unserer Touren noch einmal durch diesen alten Dorfteil. Menschendad meinte erschrocken, er kenne sich dort aber kaum mehr aus. Das was wir aber noch vorfanden, war das Haus vor dem noch der Walnuss – und der Apfelbaum stand. Auch der Gartenzaun und sogar die Bank war noch da. Menschendad zögerte ob er sich auf die Straße stellen sollte, um von dieser alten Erinnerung ein Foto zu machen. Im Haus auf der anderen Straßenseite sprach ihn aus einem Fenster schauend eine ältere Frau an. Es war eine frühere Nachbarin vom “Apfelopi”. Ja, der ist vor einigen Jahren schon verstorben und er fehlt einfach sehr. Seitdem wohnen Fremde in dem Haus und die Walnüsse und Äpfel werden nicht mehr eingesammelt. Einfach liegengelassen werden die. Das ist sehr unhöflich und gemein, schimpfte die Frau. Nach diesem Gespräch fuhren wir weiter. An einem alten Wegekreuz und einer Bank setzten wir uns und schwiegen eine Weile.
Menschendad weinte leise. Er hat den “Apfelopi” nie wieder sehen und sprechen können, und auch das Bild von herumliegenden Äpfeln erheiterte wenig, erzählte er leise. Das unendlich freundliche, rührende Lächeln des dankbaren Opis, das Strahlen aus den Augen… bis heute unvergessen. Man hätte es auch auf keinem Foto einfangen können. Manchmal gibt es hinter kleinen sichtbaren, noch viel größere, unsichtbare Dinge…

Die Nachbarin, des “Apfelopis” erzählte uns noch auf welchem Friedhof, und wo sein kleines, ungepflegtes Grab zu finden ist. Es kümmert sich nur ab und zu eine alte Dame um dieses Grab, zupfte und gießt die Wildblumen die dort wuchern. Einen Grabstein gibt es nicht, “Apfelopi” wurde einfach dort begraben und …vergessen.
Letzten Sonntag besuchten wir das Grab. Wir legten dort 2 Äpfel ab und Menschendad unterhielt sich noch kurz mit ihm…